Politik ist nicht für schnelle Innovationen bekannt. In der Demokratie dauern Entscheidungen lange, politische Prozesse müssen gehegt und gepflegtwerden wie Pflanzen im Garten. Oft legen deshalb Manager Politikern nahe, von der Wirtschaft zu lernen, sich deren Standards an Effizienz, Tempo und Organisation
anzueignen. Aber das galt für eine Welt, in der genau diese Effizienz das höchste Gutwar. In der neuen Welt hingegen, getrieben vom digitalen Wandel, ist Innovation das höchste Gut.
Gute Ideen brauchen Akzeptanz
Und die braucht gute Ideen und deren Akzeptanz, damit Geschwindigkeit am Markt entsteht. Genau dabei könnte die Wirtschaft auch einmal von der Politik lernen. Politiker wissen – oder müssen es oft schmerzlich lernen: Die meisten Menschen mögen keinen Wandel. Sie lassen Veränderung erst dann zu, wenn sich ihr
Leben damit klar verbessert oder wenn keine andere Wahl mehr besteht. Innovationen ziehen aber Veränderungen nach sich. Sie gedeihen dort am besten, wo es gelingt, die Kraft der Zusammenarbeit
von Mitarbeitern, Partnern und Kunden zu entfalten, sie zu vernetzen und das eigenverantwortliche
Handeln der Beteiligten auf ein Ziel hin zu synchronisieren.
Innovation braucht viele Unterstützer, die motiviert zur Arbeit gehen
Neuerungen brauchen viele Unterstützer, die motiviert an die Arbeit gehen, die zeigen wollen und dürfen, was sie können. In vielen Unternehmen passiert jedoch das Gegenteil. Die Strukturen sind auf Effizienz und Kontrolle getrimmt. Produktions- oder Logistiksysteme werden mit Zielen, Plänen, Quoten gemanagt. Maschinen stellen keine Fragen. Nun wollen Unternehmen Innovationsprozesse genauso effizient gestalten. Das muss scheitern.
Heute herrscht in vielen Firmen das Prinzip organisierter Verantwortungslosigkeit. Mitarbeiter werden dazu gebracht, das Hirn an der Garderobe mit abzugeben. Das bedroht den Innovationsstandort Deutschland.
Ganz anders die Politik: Sie ist ein Innovationslabor.
Unternehmen können sich von politischen Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen etwas abschauen.
Dort beginnt jedes Vorhaben mit einer Diskussion, das Ziel immer im Blick. Je grundlegender geplante Neuerungen sind, desto umfassender wird der Abstimmungsprozess.
Viele individuelle Überzeugungen und Interessen werden auf ein Ziel hin gelenkt, Fehler korrigiert. Jeder weiß, dass im demokratischen Verfahren Kompromisse geschlossen werden müssen, auch die Führungsspitze. Sie lässt bewusst los, will überzeugen, kalkuliert ein, dass sichErgebnisse ändern können –mit Folgen für die eigene Machtposition.
Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen
Vorstellungskraft und unterschiedliche Erfahrungswelten der Beteiligten sind impolitischen Prozess wertvoller als Wissen oder renommierte Hochschulabschlüsse. Aus diesem Grund kann nicht nur die viel gerühmte Creative Class mit Talent, Technik und Teilhabe solche Aufgaben lösen. Wer mehr Innovationen will, muss auch die „normalen Mitarbeiter“ mit ihren Ideen, Informationen, mit Intuition, aber auch Interesse dafür gewinnen.
Die Menschen warten darauf, ihre Erfahrungen einbringen, sichweiterentwickeln zu dürfen und bei schwierigen Schritten auch einmal geführt zu werden. Sind sie es doch, diemit der Umsetzung beschlossener Maßnahmen gerne allein gelassen werden – und die dann neue Regeln fordern.
Und auch das sollten sich Unternehmen von der Politik abschauen: Die wichtigsten Entscheidungen sollten gemeinsam mit den Beteiligten getroffen werden, statt sie überzustülpen. Sicher gibt es dabei ökonomische Grenzen. Doch es ist die Kunst der jeweiligen Führungskraft, diesen Prozess so zu moderieren und das
Ergebnis so zu begründen, dass es selbst unterlegene Mitstreiter mittragen. Dazu gehört es, auch die Verantwortung zu übernehmen, wenn etwas scheitert. Bei allem geht es darum: Wer innovativ sein soll,
muss Verantwortung übernehmen. Das geht nur mit Vertrauen.